In den letzten Wochen habe ich über Pollenallergie und Heuschnupfen geschrieben und über mögliche Ursachen und Therapien. Das Thema Allergien und Intoleranzen ist allerdings so komplex, dass es meiner Ansicht nach einen eigenen Artikel wert ist. Beginnen wir daher mit einer genaueren Beschreibungen davon, was passiert im Körper bei einer Allergie. Intoleranzen und Unverträglichkeiten behandle ich in einem späteren Artikel.
Was ist eine Allergie?
Im Artikel über Heuschnupfentherapien habe ich bereits kurz angerissen, was eine Allergie ist:
“Bei einer Allergie reagiert der Körper auf einen Fremdstoff so, wie er sonst auf schädliche Viren und Bakterien reagiert: Er bildet Antikörper, spezielle Proteine, die an das Antigen eines Fremdkörpers (sei es nun ein Virus oder eine Polle) andocken. Antigene sind Proteine, die wie Etiketten von Erregern präsentiert werden. Der Körper kann die Erreger daran erkennen und die entsprechenden Antikörper losschicken.”
Begriffe und Ablauf einer allergischen Reaktion
Wie war das nun nochmal? Antigen? Das klingt irgendwie Gen-schädlich. Und Antikörper? Das klingt bekannter, aber auch nicht gut. – Alles halb so schlimm.
Antigen kommt ursprünglich aus dem Altgriechischen anti – dagegen und gennao – erzeugen/gebären und dann via Englisch von anti(body)-gen(erator). Ein Antigen ist ein Protein (Eiweiss), an das sich ein Antikörper oder ein Lymphozyt binden kann. Ein Allergen ist ein Antigen, das eine allergische Reaktion auslöst.
Antikörper oder Immunglobuline werden von bestimmten weissen Blutkörperchen, den so genannten B-Lymphozyten, gebildet, wenn das Immunsystem einen Stoff als schädlich erkennt. Dank Antikörpern gibt es Immunität gegen bestimmte Infektionskrankheiten nachdem man sie zum ersten Mal durchgemacht hat (dazu gehören viele klassische Kinderkrankheiten, wie zum Beispiel Mumps).
Den ersten Kontakt mit einem Allergen, bei dem die Antikörper gebildet werden, nennt man Sensibilisierung. Der Sensibilisierung folgt eine Sensibilisierungsphase. Nach dieser reagiert der Körper bei jedem Kontakt mit dem Allergen allergisch.
Arten und Typen von Allergien
Allergietypen
Es gibt verschiedene Allergietypen. Bei Allergien vom Typ I (Soforttyp) wird viel IgE (Immunglobulin E) gebildet, Histamin wird ausgeschüttet und sehr schnell treten Jucken. Schwellungen, Atemwegsverengung usw. auf. Dieser Typ ist sehr häufig und der Klassiker bei Tierhaarallergien, Heuschnupfen und so weiter.
Beim Typ II (zytotoxischer Typ) aktivieren die Antikörper ein System von Eiweissen. Zellen, die das Antigen tragen, werden aufgelöst. Das passiert zum Beispiel bei der Abstossung eines Transplantats und manchen Medikamentenallergien. Die Typ II-Allergie ist sehr selten.
Beim Typ III (Immunkomplextyp) lagern sich Antigen-Antikörper-Komplexe ab in verschiedenen Geweben, dort lösen sie Entzündungen aus. Dies ist bei manchen Medikamentenallergien der Fall, die Reaktion ist ca. 6-8 Stunden nach dem Kontakt am schlimmsten.
Beim Typ IV (Spättyp) wird die Reaktion erst ein bis drei Tage nach dem Kontakt deutlich. Bestimmte weisse Blutkörperchen (T-Lymphozyten) setzen Stoffe frei und weitere Abwehrzellen wie Fresszellen werden aktiviert. Das ist vor allem bei Kontaktallergien wie der Nickelallergie der Fall.
Kreuzallergie
Eine Kreuzallergie ist eine Allergie gegen Antigene, die ähnliche Proteinstrukturen aufweisen. Ist jemand also auf Stoff X allergisch und Stoff Y hat ähnliche Proteine, dann hat die Person oft auch mit Stoff Y Probleme, auch ohne Sensibilisierung. Klassiker wären zum Beispiel, dass Latexallergiker:innen oft allergisch sind gegen Tomaten und Kiwi oder, dass Personen, die auf Birkenpollen allergisch sind, auch auf Nüsse reagieren.
Das ecarf (Europaen Center for Allergy Research Foundation) listet in einer Tabelle häufige Kreuzreaktionen auf.
Oft wird bei Kreuzallergien zu Pollen das Lebensmittel schlechter vertragen, wenn die Pollen gerade fliegen. Manchmal hilft auch das Kochen, manchmal sogar das Reiben/Raffeln. Dies, weil Kochen und Reiben Proteine zerstören (bei Eiern sieht man das Gerinnen der Proteine gut). Bei Obst, vor allem bei Äpfeln, werden alte Sorten oft besser vertragen. Hier beim BUND Lemgo findet Ihr weitere Informationen dazu.
Pseudoallergie
Eine Pseudoallergie ist eine allergische Reaktion auf einen Stoff ohne vorherige Sensibilisierung. Allergien auf Kontrastmittel sind oft Pseudoallergien.
Atopie – genetisch prädestiniert für Allergien
Kinder von Allergiker:innen entwickeln häufig selber Allergien, obwohl eine Allergie nicht vererbbar ist. Vererbt wird die Anlage zu einer erhöhten Produktion des Immunglobulin E, abgekürzt IgE, bei Allergenkontakt. Diese Veranlagung nennt man Atopie. Circa 10% der Bevölkerung sind Atopiker:innen.
Atopie kommt aus dem griechischen von a = kein/nicht/ohne und topos = Lage. Atopiker:innen “befinden sich nicht in der richtigen Lage”.
Als Atopien gelten:
- allergisches Asthma
- Heuschnupfen
- Neurodermitis / atopische Dermatitis
- …
Viele Atopiker:innen durchlaufen mehrere dieser Erkrankungen parallel oder im Verlaufe ihres Lebens.
Atopierisiko bei Säuglingen und Kindern senken
Eine Vaginalgeburt, Körperkontakt mit den Eltern sowie Stillen senken das Risiko, dass die atopische Veranlagung eines Babies zu einer Erkrankung führt. In letzter Zeit gibt es vermehrt Studien, die den positiven Effekt des Stillens auf Atopien in Frage stellen, eine findet Ihr hier im Ärzteblatt.
Kollege Dr. Volker Schmiedel schreibt hier darüber, was Omega 3-Fettsäuren in der Schwangerschaft gegen Asthma und Allergien beim Kind bewirken können.
Der Kontakt mit Bakterien und Schmutz hilft – ob auf dem Land oder in der Stadt – ebenfalls, eine spannende Studie dazu erschien in der Medical Tribune.
Allergiediagnostik
Schulmedizinische Diagnostik von Allergien
Hauttests zum Nachweis einer Typ I-Allergie
- Pricktest. Ein gängiger und bekannter Test. Beim Pricktest tropft der Arzt:die Ärztin einen Tropfen Allergenlösung auf den Arm oder Rücken und sticht dann mit einer Nadel oberflächlich ein. Zur Kontrolle wird dasselbe auch mit einigen Tropfen Kochsalzlösung und mit Histamin gemacht. Nach ca. 20 Minuten sieht man, ob die Allergenlösung dieselbe Reaktion wie die Kochsalzlösung auslöst (kaum eine Reaktion) oder eher wie die Histaminlösung (Rötung und Quaddelbildung). In zweiterem Fall wäre der Pricktest positiv.
- Scratchtest. Der Scratchtest verläuft genau gleich, nur dass die Haut mit einer Lanzette angekratzt wird statt angestochen.
- Intradermaltest. Der Intradermaltest verläuft ebenfalls ähnlich, die Allergenlösung wird dabei aber in die Haut gespritzt.
Bei Hauttests gibt es leider relativ viele falsch-positive und falsch-negative Resultate.
Expositionstests
Nach einiger Zeit ohne Kontakt mit dem Allergen (Karenzzeit) wird der:die Patient:in dem Allergen ausgesetzt und die Reaktion beobachtet.
Eliminationsdiät und Suchdiät
Es gibt verschiedene Arten, diese durchzuführen. Das Grundprinzip besteht darin, möglichst Lebensmittel zu essen, die kaum Allergien auslösen. Dann schaut man, ob es durch Weglassen bestimmter Nahrungsmittel besser wird oder (Suchdiät) schlimmer, wenn diese dazu genommen werden.
Bluttest
Im Blutserum bestimmt das Labor die antigenspezifischen IgE-Antikörper. Ein negativer Test bedeutet aber nicht, dass eine Allergie ausgeschlossen werden kann. Daher ist eine Kombination von Prick- und Bluttest oft besser.
Patchtest
Der Epikutan- oder Patchtest führt man bei Verdacht auf Kontaktekzeme durch. Man macht ein Testpflaster mit dem Allergen und lässt dieses 48 Stunden auf der Haut. Wenn danach eine Rötung oder ein Ekzem da ist, so ist der Test positiv.
Alternativmedizinische Allergiediagnostik
Sehr beliebt sind Bioresonanz, dazu habe ich im Heuschnupfen-Artikel ein bisschen etwas geschrieben, und Kinesiologie sowie spezifische, spezielle Laboruntersuchungen zum Austesten von Allergien.
In der Irisdiagnostik ist die Augenfarbe grau oder blau, die auf eine lymphatische Konstitution hinweist, ein Hinweis auf eine mögliche Neigung zu Allergien.
Eine Untersuchung der Darmflora anhand einer Stuhlprobe ist oft hilfreich. Sie kann Aufschluss geben darüber, ob die Allergiesymptome daher kommen, dass die Bakterien im Darm oder das dort vorherrschende Milieu nicht ideal sind. Ist dies der Fall ist eine Darmsanierung oft hilfreich.
Achtung! Komplementärmedizinische Laboruntersuchungen bezahlen die wenigsten Zusatzversicherungen!
Und sonst so allerlei
Ein bisschen Spass muss sein
Mein Lieblingscartoon zum Thema Allergien findet Ihr bei Nichtlustig. Und hier bei Giphy noch die beste Allergikerin aus dem Fernsehen: Lisa Simpson in einem GIF.
Der Song zum Thema: “Allergies” von Paul Simon
Blogs für Allergiker:innen
Freiknuspern – ohne Nüsse, Eier, Gluten und Laktose und zuckerfrei. So kocht Fabienne, die unter allergischem Asthma und Nahrungsmittelallergien leidet.
Healthy on Green – Deniz kocht vegan und meistens sojafrei.
Body and Soul Food – Sabine kocht gluten-, milch-, zucker- und nussfrei für zwei Personen.
Über die Behandlung von Allergien schreibe ich dann ein anderes Mal! Oder wir reden zusammen darüber, kontaktieren Sie mich gerne.
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